TITELTHEMA |
«Und hier endlich kommen wir zu unserem Bergson»
«Eine falsche Vorstellung, schön und ausgereift, ist viel unheilvoller, nicht weil
sie falsch, sondern weil sie schön und ausgereift ist; eine falsche Vorstellung, schön
und ausgereift, ist falscher, insofern sie schön und ausgereift ist, als insofern sie
falsch ist [...] Schlimmer als ein schlechter Gedanke ist ein schöner und ausgereifter
Gedanke. Schlimmer als eine schlechte Seele zu haben und auch als eine schlechte Seele zu
sein, ist, eine schöne und ausgereifte Seele zu haben. Schlimmer als eine verdorbene
Seele zu haben, ist, eine Gewohnheitsseele zu haben.
Unglaubliche
Spiele der Gnade waren zu sehen, und wie die unglaublichen Gnaden der Gnade in eine
schlechte Seele und auch in eine verdorbene Seele eindrangen. Und es war zu sehen, wie
gerettet wurde, was verloren schien. Aber es war nicht zu sehen, wie naß wurde, was
getüncht war, es war nicht zu sehen, wie das durchdrungen wurde, was undurchdringlich
ist, es war nicht zu sehen, wie das weich wurde, was von der Gewohnheit verhärtet war.
Die
Sorgen und die Erfolge und die Rettungen der Gnade sind wunderbar, und es war zu sehen,
wie das wiedergewonnen wurde, und es war zu sehen, wie das gerettet wurde, was gleichsam
verloren war. Aber das schlimmste Elend, die größte Niederträchtigkeit, die Schandtaten
und Verbrechen, aber die Sünde selbst sind die wunden Punkte der Rüstung des Menschen,
die wunden Punkte des Harnischs, durch den die Gnade in den Panzer des verhärteten
Menschen eindringen kann. Aber an diesem anorganischen Panzer der Gewohnheit gleitet alles
ab, und wird stumpf jedes Schwert.
Auch im
geistlichen Leben sind das schlimmste Elend, die größte Niederträchtigkeit, die
Schandtaten und Verbrechen, die Sünde die Ansatzpunkte der Gnade. So wirkt sie. So findet
sie den Punkt, den es in jedem sündigen Menschen gibt. So stützt sie sich auf diesen
wunden Punkt. Es war zu sehen, wie sich die größten Verbrecher gerettet haben. Durch ihr
eigenes Verbrechen. Durch den Mechanismus, durch die Verübung ihres Verbrechens. Es war
aber nicht zu sehen, daß die größten Gewohnheitsmenschen durch die Übung der
Gewohnheit gerettet wurden, weil gerade die Gewohnheit keine Artikulation hat.»
(Charles Péguy, Note conjointe sur M. Descartes
et la philosophie cartésienne)