EDITORIAL


Die 124 der Interparlamentarischen Union

Foto Andreotti


     Seit über 100 Jahren gibt es eine Vereinigung, die alle sechs Monate an verschiedenen Orten zu Plenarkonferenzen zusammentritt und in der Delegierte der Parlamente aus 124 Staaten der Welt vertreten sind. Die Interparlamentarische Union ist sicher nicht so berühmt und bedeutend wie die Organisation der Vereinten Nationen, und sie trifft auch keine allgemein gültigen Entscheidungen im Sinne von internationalen Abkommen. Aber genau in dieser Zurückhaltung und Bescheidenheit liegt vielleicht gerade ihre Bedeutung.
     In diesem Rahmen besteht zweimal im Jahr die Möglichkeit, Spannungen und Krisen zu beurteilen, gegebenenfalls nach Auswegen zu suchen sowie Vorurteile abzubauen, wobei einer mangelnden Kommunikationsbereitschaft entschieden entgegengewirkt wird. Auch als die Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten praktisch eingefroren waren, nahmen die Delegationen beider Seiten trotzdem an den Verhandlungen teil und arbeiteten in den Kommissionen gemeinsam an der Herausga-be geeigneter Texte zu den Punkten der Tagesordnung. Und damit nicht genug: selbst während des langen Krieges zwischen Iran und Irak schickten beide Staaten weiterhin ihre Abgeordneten. Sicher sind in dieser Hinsicht auch Rückschläge zu verzeichnen. Lange Zeit regten die großen politischen Blöcke auf der Welt (West, Ost und die blockfreien Staaten) dazu an, die Haltungen zu koordinieren und gruppenweise vorzugehen, allerdings immer im Rahmen der Bereitschaft und des Dialogs. Wir als Mitglieder der Europäischen Union haben beispielsweise ein Komitee eingerichtet, das sogenannte "Zwölf plus", als Mitglieder der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit (der heutigen OSZE) eine europäische Sonderkonferenz ins Leben riefen.
     Als die DDR Gastgeber der Konferenz war, und zwar mit vollster Unterstützung ihrer Kollegen aus der BRD, stand die Berliner Mauer noch.
     An schwierigen Momenten hat es sicher nicht gefehlt. Ich erinnere mich noch, wie man sich unmittelbar nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan versammelte.

Afghanistan gehörte damals zu den blockfreien Staaten, die daher ganz empfindlich auf die Besetzung reagierten.
     Wie alle anderen Länder so hatten auch die Kubaner, die zu diesem Zeitpunkt in der Bewegung den Vorsitz hatten, über Fernsehen oder Radio von diesem Ereignis erfahren; und das war ein harter Schlag für ihr Prestige. Es war vorherzusehen, daß unsere Konferenz eine überaus kritische schriftliche Stellungnahme herausgeben würde. Der Führer der Delegation aus Moskau, der Volksdeputierte und Präsident der Kammer der Nationalitäten, Ruben, befand sich in einer äußerst heiklen und peinlichen Lage. Wie sollte er mit einer öffentlichen Verurteilung des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan in sein Heimatland zurückkehren? Er hätte zweifellos sein Amt niederlegen müssen, aber es hatte den Anschein, daß er noch weitaus Schlimmeres befürchtete. In einer Versammlung im kleinen Kreis haben wir ihm sozusagen einen Rettungsring zugeworfen, den er sich letztlich bei der russischen Übersetzung zunutze machen konnte. Wir schlugen vor, daß man den militärischen Einmarsch verurteilen und das Adjektiv sowjetisch vermeiden sollte. Und so kam die ganze Versammlung zu einem einstimmigen Beschluß, Ruben eingeschlossen.

Seit über 100 Jahren gibt es eine Vereinigung, die alle sechs Monate an verschiedenen Orten zu Plenarkonferenzen zusammentritt und in der Delegierte der Parlamente aus 124 Staaten der Welt vertreten sind. Die Interparlamentarische Union ist sicher nicht so berühmt und bedeutend wie die Organisation der Vereinten Nationen, und sie trifft auch keine allgemein gültigen Entscheidungen im Sinne von internationalen Abkommen.

     Es mag nur als einfaches Hilfsmittel erscheinen, aber die Aufrechterhaltung der noch so schwachen Grundlage für einen offenen Dialog war und ist immer noch von unschätzbarem Wert.
     Ich möchte noch einen weiteren Aspekt nennen: den unschätzbaren Wert der persönlichen Kontakte, die im Laufe der Jahre entstehen. Als ich unser Außenministerium leitete, hatte ich mehr als einmal den großen Vorteil, durch meine inoffiziellen Kontakte zu Freunden aus den Parlamenten anderer Staaten über bestimmte Situationen und Manöver informiert zu sein.

     Die letzte Konferenz fand Anfang September in Kairo statt. Sie stand unter einem Thema, das überall mehr oder weniger aktuell ist: Wie ist durch die Stärkung des Bandes zwischen Bürgern und parlamentarischen Einrichtungen eine stabile Demokratie zu gewährleisten?
     Angesichts der alles andere als homogenen Wirklichkeiten auf dem Schauplatz der Welt, ist klar, daß einige Länder auf den ersten Schritten in diese Richtung noch Unterstützung brauchen, während in anderen die Institutionen bereits seit langem gefestigt sind.

Aber genau in dieser Zurückhaltung und Bescheidenheit liegt vielleicht gerade ihre Bedeutung. In diesem Rahmen besteht zweimal im Jahr die Möglichkeit, Spannungen und Krisen zu beurteilen, gegebenenfalls nach Auswegen zu suchen sowie Vorurteile abzubauen, wobei einer mangelnden Kommunikationsbereitschaft entschieden entgegengewirkt wird.

Vor diesem Hintergrund ist das Schlußdokument zu lesen.
     Auszugehen ist von der Überzeugung, daß die unantastbare Würde des einzelnen und die Achtung der Rechte der Person (mit besonderem Augenmerk auf Frauen und Kinder) nicht nur ein grundlegender Wert sind, sondern auch ein entscheidendes Element für die Entwicklung einer stabilen, demokratischen und blühenden Gesellschaft. Das Dokument erkennt an, daß die Achtung der Menschenrechte unerläßliche Voraussetzung ist für den Frieden in jedem Staat und für die friedvollen nachbarschaftlichen Beziehungen der Staaten untereinander. Ein frei und in regelmäßigen Abständen gewähltes Parlament ist die beste Garantie für die Achtung der menschlichen Würde und das Wohl der Bürger. Für die Bürger ist die Demokratie die beste Grundlage, um die eigene Kreativität zu entfalten, zur Errichtung, Entwicklung und Stabilisierung ihrer Gesellschaft beizutragen, insofern sie allen den Zugang zu Bildung und Information gewährleistet.

     Ein stets gleiches, einfallsloses Modell? Nein. Jede Nation weist bestimmte Merkmale auf, die in ihrer Geschichte, Kultur, aber auch in den Rechtsgrundlagen verankert sind. Trotzdem gibt es einige allgemein gültige und gemeinsame Punkte:
     - die Macht, direkt oder über gewählte Vertreter politische Programme und politische Richtungen zu wählen, ist unumgänglich;
     - den Regierungen werden die Mittel zur Verfügung gestellt, die zu einer effektiven, rechtschaffenen und durchschaubaren Leitung der Länder nötig sind;
     - die politische Verantwortung der Regierungen gegenüber dem Volk muß unmißverständlich sein.
     Die Rolle der Parlamente ist klar definiert: sie sind die gesetzmäßigen Vertreter des Volkes, das sich immer mehr mit den Institutionen verbunden fühlen muß, deren Vorgangsweisen wiederum von Klarheit und der bereitwilligen Erteilung von Information geprägt sein müssen.
     Ein Hinweis auf die Rolle der sogenannten Massenmedien und auf den Schutz soziokultureller, politischer und wirtschaftlicher Gruppen durfte nicht fehlen.

     Die Schlußforderungen sind deutlich:
     1) alle Staaten müssen freie und regelmäßige Wahlen ohne jegliche Diskriminierung gewährleisten;
     2) jede aggressive Haltung gegenüber den Kandidaten oder Gewählten wie auch gegenüber dem Volk ganz allgemein ist entschieden abzulehnen;
     3) die Vorrechte der Abgeordneten dürfen unter keinen Umständen angetastet werden, damit sie ihre Aufgaben ungehindert wahrnehmen können: Gesetzgebung, Kontrolle der Regierungen und Debatte über grundlegende Fragen der Gesellschaft;
     4) jedes Hindernis, das dem Bürger den freien Zugang zu Information und Bildung unter immer größerer Anwendung neuer Technologien verwehrt, ist auszuräumen;
     5) Verschiedenheit und Pluralismus sind Werte, weshalb man sich von vornherein gegen jede Unterschätzung verwahren muß;
     6) in den verschiedenen Verfassungssystemen muß auch der direkten, aktiven Mitwirkung, wie z.B. Petitionen, Volksabstimmungen und legislative Volksinitiativen, entsprechender Raum zugestanden werden;

     7) um die aktive Teilnahme des Bürgers an der Demokratie zu fördern, ist eine klare, einfache und unmißverständliche Formulierung der Gesetze unerläßlich;
     8) der Kontakt zwischen Bürgern und Abgeordneten, auch auf internationaler Ebene, ist intensiv zu pflegen;
     9) die Arbeit der Abgeordneten muß durchschaubar und somit von der Öffentlichkeit leicht nachvollziehbar sein, und zwar nicht nur allgemein, sondern gegebenenfalls auch durch angemessene Räume in den Informationsorganen;
     10) die Rechenschaftsberichte müssen objektiv und unparteiisch sein und den ethischen Prinzipien entsprechen;
     11) die Abgeordneten aller Länder müssen ein besonderes Augenmerk auf die Beachtung der Menschenrechte richten und sich jeder Anzeige von seiten der verantwortlichen Organisationen persönlich annehmen.

     Man könnte nun einwenden, das sei nichts Neues. Und das stimmt auch. Aber repetita iuvant. Denn gerade jetzt, da im Namen der Effizienz die Gefahr droht, den unschätzbaren Wert des Parlaments zu verwässern, gilt es, diese fundamentalen Regeln einzufordern.

     Eine kurze Anmerkung zu anderen Themen der Konferenz von Kairo.

Die letzte Konferenz fand Anfang September in Kairo statt. Sie stand unter einem Thema, das überall mehr oder weniger aktuell ist: Wie ist durch die Stärkung des Bandes zwischen Bürgern und parlamentarischen Einrichtungen eine stabile Demokratie zu gewährleisten?

Die Kommission für wirtschaftliche und soziale Fragen hat sich sehr eingehend mit der Frage der Arbeit beschäftigt. Besonders in den Industriestaaten steigt die Arbeitslosigkeit, in Ländern mit Planwirtschaft herrscht ein besorgniserregender Stellenmangel, und die Lebensbedingungen der Arbeiter haben sich in einigen Ländern erheblich verschlechtert. Am meisten betroffen sind davon die sogenannten Entwicklungsländer.
     Das alles will man nicht einfach so hinnehmen. Man verleiht vielmehr der Hoffnung Ausdruck, daß sich die zunehmende Globalisierung weltweit auf die Produktion und die Arbeitslage positiv auswirken wird, während ein Zuwachs des Welthandels und die Steigerung der Investitionen zu einer Erweiterung der Märkte und unerläßlich - und zum Vorteil aller Staaten - zu einer gerechteren Verteilung der wirtschaftlichen Mittel auf der ganzen Welt führen wird.

     Anhand von angemessenen Analysen wurden die sozialen und politischen Folgen der Umstrukturierungen - insbesondere, aber nicht nur, in den Entwicklungsländern - erörtert. Besonders betont wurden dabei auch die verheerenden Folgen der Kriege und "Embargos" sowie in einem weiteren Sinn das Elend der Emigranten und die Kinderarbeit (den Kindern ist auch ein eigener Text über das Thema des Kindesmißbrauchs gewidmet).

     Die Konferenz hat schließlich den Entwurf einer Erklärung über die Prinzipien der Demokratie verabschiedet.

Die Prinzipien der Demokratie

     1. Die Demokratie ist ein allgemein anerkanntes Ideal und ein Ziel, das auf der Grundlage von Werten, die in allen Völkern der Weltgemeinschaft Gültigkeit haben, angestrebt wird, ganz gleich, welche kulturellen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede auch bestehen mögen. Sie ist daher ein Grundrecht des Bürgers und muß in Freiheit, Gleichheit, Transparenz und Verantwortlichkeit zum Wohl aller und unter Wahrung der Meinungsvielfalt ausgeübt werden.
     2. Die Demokratie ist gleichzeitig ein erstrebenswertes Ideal und eine erstrebenswerte Regierungsform, die auf die unterschiedlichen Erfahrungen und kulturellen Gegebenheiten abgestimmt sein muß, ohne dabei von international anerkannten Prinzipien, Normen und Regeln abzuweichen. Sie ist also eine Situation oder eine Voraussetzung, die stets zu vervollkommnen und vervollkommnungsfähig ist und deren Entwicklung von verschiedenen politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Faktoren abhängt.
     3. Als Ideal ist die Demokratie in erster Linie bemüht, die Würde und die Grundrechte des einzelnen zu wahren und zu verteidigen, die soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Gemeinschaft des Landes zu fördern, den Zusammenhalt der Gesellschaft und den Frieden der Nation zu festigen und ein geeignetes Klima für den internationalen Frieden zu schaffen. Als Regierungsform ist die Demokratie zur Erreichung dieser Ziele das geeignete Mittel; und sie ist auch das einzige politische System, das sich selbst korrigieren kann.
     4. Demokratie wäre nicht möglich ohne die Zusammenarbeit von Männern und Frauen im öffentlichen Bereich, wo Männer und Frauen gleichberechtigt sind, sich ergänzen und sich durch ihre Verschiedenheit gegenseitig bereichern.

     5. Der demokratische Staat garantiert, daß alle Prozesse der Machtübernahme,der Machtausübung und des Machtwechsels einen offenen politischen Konkurrenzkampf ermöglichen und Ergebnis der offenen, freien und nicht diskriminierenden Beteiligung des Volkes sind, die in Übereinstimmung mit dem Recht, und zwar ganz in dessen Sinn und Wortlaut, erfolgt.
     6. Die Demokratie und die in den internationalen Dokumenten formulierten Rechte, auf die in der Präambel verwiesen wird, sind wesensgleich. Diese Rechte müssen daher tatsächlich angewandt werden, und diese ihre berechtigte Anwendung muß das Ergebnis der Verantwortlichkeit des einzelnen und der Gemeinschaft sein.
     7. Die Demokratie beruht auf dem Vorrang des Rechts und auf der Anwendung der Menschenrechte. In einem demokratischen Staat steht niemand über dem Gesetz, und alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich.
     8. Der Friede und der wirtschaftliche, soziale und kulturelle Fortschritt sind zugleich Voraussetzung und Ergebnis der Demokratie, in der Friede, Fortschritt und die Respektierung des Rechtsstaates und der Menschenrechte einander bedingen.

     9. Grundlage der Demokratie sind rationell strukturierte Institutionen, die wie ein Körper aus Normen und Regeln funktionieren, sowie der Wille der gesamten Gesellschaft, die sich ihrer Rechte und ihrer Verantwortung vollauf bewußt ist.
     10. Die demokratischen Institutionen haben eine Schiedsfunktion beim Ausgleich von Spannungen und bei der Bewahrung des Gleichgewichts zwischen konkurrierenden Bestrebungen, die die Verschiedenheit und die Einheit, den Individualismus und den Kollektivismus ausmachen, mit dem Ziel, den Zusammenhalt und die soziale Solidarität zu stärken.
     11. Auf der Grundlage des Rechts aller, sich an öffentlichen Angelegenheiten zu beteiligen, sieht die Demokratie auf allen Ebenen repräsentative Institutionen vor, und insbesondere ein Parlament. Es soll alle Mitglieder der Gesellschaft vertreten sowie über die nötige Macht und die geeigneten Mittel verfügen, den Willen des Volkes auszudrücken, Gesetze zu verabschieden und die Handlungen der Regierung zu kontrollieren.
     12. Entscheidendes Element einer funktionierenden Demokratie ist die Durchführung von freien und regelmäßigen Wahlen. Diese geheimen Wahlen, die den Willen des Volkes ausdrücken sollen, sind auf der Grundlage eines allgemeinen, gleichen Wahlrechts durchzuführen, damit alle Wähler ihre Vertreter in jener Gleichheit, Offenheit und Transparenz wählen können, die den politischen Konkurrenzkampf beleben. Aus diesem Grund sind die bürgerlichen und politischen Rechte grundlegend, insbesondere das aktive und passive Wahlrecht, das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, der freie Zugang zu Information und das Recht, politische Parteien zu gründen und politisch aktiv zu werden. Leitung, Verwaltung Finanzierung, politische Tätigkeit und Ethik der Parteien müssen entsprechend und überparteilich geregelt sein, um die demokratischen Prozesse nicht zu gefährden.
     13. Wesentliche Aufgabe des Staates ist es, dem Bürger seine kulturellen, wirtschaftlichen, politischen, bürgerlichen und sozialen Rechte zu garantieren. Daher geht die Demokratie mit einer wirksamen, integren, transparenten, frei gewählten und eigenverantwortlichen Regierung einher.


     14. Alle Träger der öffentlichen Macht, ob gewählt oder nicht, sowie alle ihre Organe sind ausnahmslos gegenüber dem Bürger verantwortlich. Diese Verantwortung ist ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie. Das bedeutet, daß die Öffentlichkeit das Recht hat, über alle Aktivitäten der öffentlichen Gewalt informiert zu sein und durch unparteiische Verwaltungs- und Rechtsorgane Anträge zu stellen und Entschädigung zu fordern.
     15. Das öffentliche Leben muß in seiner Gesamtheit das Siegel der Moral und Transparenz tragen. Daher müssen Normen und Regeln ausgearbeitet und angewendet werden, welche dies garantieren.
     16. Die Beteiligung des einzelnen an den demokratischen Prozessen und am öffentlichen Leben auf allen Ebenen muß auf gleiche und überparteiliche Weise geregelt werden und jeglicher Diskriminierung und Einschüchterung sowohl innerhalb als auch außerhalb der Staatsgrenzen von vornherein zuvorkommen.

     17. Unabhängige, überparteiliche und wirksame Rechtsinstitute und Kontrollmaßnahmen sind die Grundlage der Demokratie und die Gewähr für einen demokratischen Rechtsstaat. Damit diese Mechanismen und Institutionen uneingeschränkt über die Beachtung der Regeln wachen, die Regelmäßigkeit der Verfahren verbessern und Ungerechtigkeiten beseitigen können, muß allen - nach Maßgabe des Prinzips der Gleichheit - die Möglichkeit gegeben sein, bei Verwaltungs- und Rechtsinstanzen Berufung einzulegen, sowie die Befolgung der Verordnungen und Gerichtsentscheidungen gewährleistet sein: von seiten der Staatsorgane, der Vertreter der öffentlichen Gewalt und der Mitglieder der Gesellschaft.
     18. Wenn eine Gesellschaft aus aktiven Bürgern wesentlicher Bestandteil der Demokratie ist, dann sind die Fähigkeit und der Wille des einzelnen, sich an den demokratischen Prozessen zu beteiligen und die Regierungsformen zu wählen, dennoch nicht selbstverständlich. Daher ist es nötig, die Voraussetzungen für eine aktive Beteiligung zu schaffen. Ebenso ist es unerläßlich, immer das Prinzip der Gleichheit, der Transparenz und der Bildung zu betonen und allem entgegenzuwirken, was dies beeinträchtigen könnte, wie z. B. der Unwissenheit, Intoleranz, Gleichgültigkeit, dem Fehlen der Wahlmöglichkeit und wirklicher Alternativen sowie geeigneter Mittel, um Ungleichgewichten und sozialer, kultureller, religiöser und geschlechtsbezogener Diskriminierung entgegenzuwirken.
     19. Damit der demokratische Staat Bestand hat, müssen ein demokratisches Klima und eine demokratische Kultur geschaffen werden, die immerfort durch Erziehung, Bildung und Information genährt und bereichert werden. Eine demokratische Gesellschaft muß daher ganz allgemein die Bildung fördern, was im einzelnen die Erziehung zum Staatsbürger und die Erziehung zu einer verantwortlichen Bürgerschaft einschließt.
     20. Demokratische Prozesse entfalten sich bei günstiger Wirtschaftslage. In ihrem allgemeinen Bemühen um Fortschritt muß die Gesellschaft in erster Linie darum bemüht sein, die grundlegenden wirtschaftlichen Bedürfnisse der ärmsten Schichten zu befriedigen, indem sie ihre vollständige Integration in die demokratischen Prozesse gewährleistet.
     21. Der demokratische Staat setzt Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung voraus. Dies bedeutet, daß man nicht aufgrund seiner Meinung verurteilt werden darf und das Recht hat, Informationen und Meinungen uneingeschränkt zu suchen, zu erhalten und durch jedes beliebige Mittel der Meinungsäußerung zu verbreiten.
     22. Sowohl in den homogenen als auch in den heterogenen Gesellschaften müssen die Institutionen und demokratischen Prozesse die Teilnahme des Volkes fördern, um die Verschiedenheit, den Pluralismus und das Recht auf Anderssein in einem Klima der Toleranz zu gewährleisten.
     23. Die Institutionen und demokratischen Prozesse müssen auch die Dezentralisierung der Regierung und der Verwaltung fördern. Sie stellen ein Recht und eine Notwendigkeit dar, eine größere Beteiligung zu ermöglichen.
     24. Die Demokratie ist als internationales Prinzip anzuerkennen, das für die internationalen Organisationen, die Staaten und deren internationale Beziehungen gilt. Das Prinzip der internationalen Demokratie bedeutet nicht nur gleiche und unparteiische Vertretung der Staaten, sondern es wirkt sich auch auf deren Rechte und wirtschaftliche Verpflichtungen aus.
     25. Die Prinzipien der Demokratie gelten auch für die Lösung von Fragen von weltweitem Interesse und die Verwaltung des gemeinsamen Erbes der Menschheit, insbesondere für den Umgang mit der Umwelt.
     26. Im Interesse der internationalen Demokratie müssen die Staaten dafür sorgen, daß ihre jeweilige Staatsführung dem Völkerrecht entspricht, daß nie zum Mittel der Drohung, der Gewaltanwendung oder anderer Handlungsweisen gegriffen wird, die die politische Unabhängigkeit, Gebietshoheit und Integrität anderer Staaten gefährden oder verletzen könnten. Sie müssen sich vielmehr dazu verpflichten, ihre Meinungsverschiedenheiten mit friedlichen Mitteln zu lösen.
     27. Eine Demokratie muß die demokratischen Prinzipien in den internationalen Beziehungen verteidigen. In diesem Zusammenhang dürfen die Demokratien keine undemokratische Haltung einnehmen, sondern müssen vielmehr ihre Solidarität mit den demokratischen Regierungen und Nicht-Regierungs-Organisationen, wie der ONG, bekunden, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, und sich mit den Opfern der Grundrechtsverletzungen durch undemokratische Regime solidarisch erklären. Bei dem Bestreben um eine größere internationale Gerechtigkeit im Strafrecht müssen sich die Demokratien entschieden gegen die Straffreiheit internationaler Verbrechen und schwerer Vergehen gegen die Grundrechte des Menschen verwahren und sich für die Einrichtung eines internationalen und ständigen Strafgerichtshofs einsetzen.