AFRIKA Titelthema |
Che Guevara:
die nächste Generation
Nachdem die USA die Franzosen für immer verjagt haben, sah es so aus, als würde es zu einer neuen Machtverteilung auf dem Schwarzen Kontinent kommen. Aber die Ereignisse der letzten Monate zeigen, daß es in Afrika keine Wachablösung zwischen den Westmächten gegeben hat. Die Macht übernimmt vielmehr eine neue Generation von Persönlichkeiten, die eine gemeinsame marxistische und antiimperialistische Vergangenheit verbindet. Sie ist den Gesetzen des Marktes gegenüber aber durchaus aufgeschlossen und verfolgt ganz konkrete Ziele. |
von Rodolfo Casadei
Brazzaville, 5. Juni 1997, die Kämpfer Sassou-Nguessos. Im Hintergrund, ein Panzerwagen der französischen Armee überwacht die Evakuierung der Westeuropäer. |
Wahre
Ströme von Tinte flossen, als die Zeitungen den Anbruch der pax americana feierten oder
auch verwünschten; zu lesen waren eingehende Abhandlungen, die erklärten, warum der
französische Stern auf dem Kontinent verblaßt ist; die Ausbreitung der anglophonen
Welle, die auf keinen Widerstand mehr trifft, wurde in den lebhaftesten Bildern
beschrieben: das Komplott" gegen Paris, das man sich auf der anderen Seite des
Ozeans ausgeklügelt hatte und das einige resolute lokale Führer mit Namen voller
K's' ausgeführt hatten: Laurent Kabila, Guerillaführer der AFDL (Allianz der
demokratischen Kräfte für die Befreiung Kongo-Zaires), Yoweri Kaguta Museveni,
Präsident Ugandas, Paul Kagamé, Vizepräsident und Verteidigungsminister Ruandas. So
haben die italienischen und französischen Militärbeobachter sowohl in den führenden
weltlichen Zeitungen als auch in den meisten Missionsblättern das afrikanische
Polit-Militär-Epos beschrieben, das im Oktober 1996 mit der sogenannten Revolte der
Banyamulenge in der Provinz Kivu begonnen und seinen Höhepunkt in der Flucht des
zairischen Präsidenten Mobutu und der Eroberung Kinshasas durch die Truppen der AFDL
Mitte Mai dieses Jahres erlebt hatte.
Doch
dann geschah plötzlich etwas Unvorhergesehenes, die Rechnung ging nicht mehr auf, und
auch diejenigen, die am lautesten über diese neueste Entwicklung triumphiert hatten,
mußten nun einen neuen Ton anschlagen: in Brazzaville, am anderen Ufer des Kongo,
gegenüber von Kinshasa, brach ein Bürgerkrieg aus zwischen den Truppen des ehemaligen
Präsidenten Denis Sassou-Nguesso und der Miliz des amtierenden Präsidenten, Pascal
Lissouba, die von den Regierungstruppen unterstützt wurde. Die Militärbeobachter
deuteten diesen neuen Konflikt sofort als Expansionspolitik der Yankees und als
französischen Rückzug', mußten aber schon bald erkennen, daß die Dinge anders
lagen. Lissouba ist der Staatschef eines Ölstaates, dessen Produktion zu zwei Dritteln an
den großen französischen Mineralölkonzern Elf geht; er hat Mobutu bis zum Ende
unterstützt und in sein Heer nicht nur versprengte ruandische Hutu-Soldaten aufgenommen,
sondern auch geflohene Mitglieder der Leibwache Mobutus. Nach dem Sturz des Diktators von
Kinshasa schlug sich Lissouba bedenkenlos auf die Seite Kabilas und seiner ugandischen und
ruandischen Tutsi-Freunde und brüstete sich damit als erster Präsident Kongos, den
amerikanischen Mineralölkonzernen Förderkonzessionen zu gewähren. Er sandte seine
Berater nach Kinshasa, Kampala und Kigali, um die neuen Herren' des Kontinents um
militärische Unterstützung zu bitten. Am Ende erhielt er von Kabila auch eine armselige
Verstärkung von 200 kidogo, das heißt 200 junge, unerfahrene Soldaten.
Denis
Sassou-Nguesso ist ein alter Fuchs der afrikanischen Politik. Er war von 1979 bis 1992
marxistisch-leninistischer Präsident von Kongo Brazzaville, aber ein enger Freund Chiracs
und Befürworter der französischen Rechten und besonders des Mineralölkonzerns Elf, der
zu Zeiten seiner Regierung noch staatlich war und ganz den strategischen Erfordernissen
der Mächtigen von Paris diente. Dank eines unerschütterlichen Bündnisses mit dem
Mineralölkonzern ist Sassou-Nguesso Milliardär geworden: die jährlichen Abgaben für
die Förderkonzessionen an den Staat Kongo flossen auf die geheimen Kontos des
Präsidenten im Ausland.
Kinshasa, 17. Mai 1997. Die Rebellentruppen werden bei ihrem Einzug in die Stadt von der Bevölkerung begrüßt. Bereits am nächsten Tag wird Zaire Demokratische Republik Kongo heißen. |
Dank der Summen, die er während seiner nicht gerade kurzen politischen Laufbahn als Präsident angehäuft hat, konnte Sassou ein Waffenarsenal anlegen, das dem der Regierungstruppen und der persönlichen Miliz Lissoubas ebenbürtig war. Um aber zum entscheidenden Schlag ausholen zu können, brauchte er die direkte Unterstützung seiner alten Freunde, der marxistisch-leninistischen Angolaner der MPLA (Volksbewegung für die Befreiung Angolas), die Luanda seit 1975 regieren. Sie haben ihm nicht nur leichte Waffen, schwere Geschütze und mehrere alte Mig 21 verkauft, womit er den Regierungspalast des Präsidenten Lissouba bombardieren konnte. Am 14. Oktober sind zudem angolanische Bodentruppen in das Territorium des Kongo eingedrungen und haben die Lissouba-treuen Truppen angegriffen und somit die Vorarbeit für Sassous Einmarsch in die Hauptstadt Brazzaville am darauffolgenden Tag geleistet. Bereits im Mai waren die angolanischen Streitkräfte der AFDL in der entscheidenden Schlacht von Kengue gegen die Truppen Mobutus zu Hilfe gekommen. Hier richteten sie ihre Waffen gegen Kabilas Anhänger, die den freien Rückzug von Lissoubas Miliz sichern wollten.
Wer hält zu wem?
Wer also die jüngsten Ereignisse in Afrika als eine Art Abrechnung
zwischen amerikaphilen und frankophilen Gruppierungen versteht, dem werden die
Geschehnisse in Brazzaville völlig unergründlich erscheinen. Stehen die Angolaner, die
zuerst dem amerikanerfreundlichen Kabila zum Sieg verhalfen und dann dem frankophilen
Sassou-Nguesso, nun auf der Seite Washingtons oder auf der Seite von Paris? Warum haben
Ruanda, Uganda und Kongo Kinshasa nicht entschieden die amerikanische' Neuerwerbung
Lissouba unterstützt, sondern sogar einen gegenteiligen Eindruck entstehen lassen? Für
diese Fragen gibt es keine Antwort, wenn man die Politik Afrikas nicht in ihrer
eigenständigen Dynamik und mit ihren endogenen Faktoren sieht. Alle Beobachter stellen
letztlich fest, daß es in Afrika heute eine ganze Reihe von politisch homogenen Staaten
gibt, die sich vom Roten Meer bis zum Atlantischen Ozean erstrecken. Manche meinen, dieser
einzigartige Umstand wäre auf eine privilegierte Beziehung zu den Vereinigten Staaten
zurückzuführen, die die strategischen Entscheidungen der Regierungen Eritreas,
Äthiopiens, Ugandas, Ruandas, der demokratischen Republiken Kongos und Angolas bestimmten
- und damit auch indirekt die mit letzteren verbundenen Kampfeinheiten: die Rebellen im
Süden des Sudans und die Militärs in Burundi.
Pointe Noire, Republik Kongo, 4. Mai 1997. Nelson Mandela mit Laurent Desiré Kabila, der in der Vergangenheit auch an der Seite von Ernesto Che Guevara gekämpft hat (auf dem Foto unten). |
Daß die Vereinigten Staaten die obengenannten Länder bei ihren politischen Vorhaben unterstützen, steht außer Zweifel und ist nicht zu übersehen: Da Asmara und Addis Abeba genau wissen, daß sie mit der Solidarität Washingtons rechnen können, provozieren sie lautstark den angrenzenden militanten, fundamentalistischen Sudan, da er angeblich die mohammedanische Bevölkerung innerhalb seiner Landesgrenzen aufhetzt; Uganda und Ruanda haben stets in schwierigen Momenten von der amerikanischen Militärhilfe profitiert, wie zum Beispiel kurz vor der ersten Offensive der ruandischen Tutsi-Flüchtlinge gegen das Hutu-Regime in Habyarimana (Ende 1990), die von ugandischem Gebiet ausging; oder kurz vor Ausbruch des Kriegs in der Provinz Kivu (zweite Hälfte des Jahres 1996). Der ruandische Vizepräsident Kagamé hat später eingeräumt, der Geheimdienst und die Streitkräfte seines Landes hätten den Krieg bewußt geplant und größtenteils auch geführt. Entscheidend für den erfolgreichen Ausgang der Revolution im Zeichen der AFDL im damaligen Zaire waren zwei Ereignisse, bei denen die amerikanische Hand deutlich zu spüren war: Erstens, die Zurückhaltung der USA gegenüber einer militaristisch-humanistischen Operation unter der Schirmherrschaft der UNO, das heißt gegenüber einer Vermittlung zwischen den kriegführenden Parteien. Das hat den Sicherheitsrat letztlich dazu bewogen, die bereits eingeleitete Initiative abzubrechen. Zweitens, Kabila erhielt von der kanadisch-amerikanischen Bergbaufirma American Mineral Fields Summen in Milliardenhöhe. Der Preis dafür waren lukrative Förderkonzessionen zugunsten der Vereinigten Staaten in Shaba. Schließlich muß man auch die politisch-wirtschaftlichen Sanktionen erwähnen, die der UNO-Sicherheitsrat gegen die angolanischen Guerillas der UNITA (Nationalunion für die völlige Unabhängigkeit Angolas) unter ihrem Führer Jonas Savimbi androhte, als diese nicht bereit waren, die Waffen niederzulegen und die Hegemonie der MPLA-Regierung anzuerkennen. Diese Sanktionen konnten letztlich nur dank der entscheidenden Stimme der USA verabschiedet werden, die zu Zeiten Reagans und Bushs offen die antikommunistischen Guerillas unterstützten.
Nur bedingt
amerikafreundlich
Diesen unbestreitbaren Fakten stehen jedoch auch andere Tatsachen
gegenüber, die zwar in der Presse weniger Beachtung gefunden haben, aber dennoch nicht
weniger wichtig sind. Erstens, das Ende der Partie im ehemaligen Zaire fiel nicht ganz so
aus, wie Washington gehofft hatte: zwar war es dem amerikanischen Außenministerium
wenigstens dieses Mal gelungen, sich mit Südafrika unter Nelson Mandela zu verständigen.
Aber das gemeinsame Ziel des verfassungsmäßigen Übergangs zu einer Regierung der
nationalen Einheit, die Laurent Kabila (Militäropposition), Etienne Tshisekedi
(politische Opposition) und Bischof Laurent Monsengwo Pasinya (katholische Kirche)
einschließen sollte, konnte nicht erreicht werden. Zweitens, die USA haben die im
Dezember letzten Jahres begonnene Offensive der sudanesischen Rebellen und der
Streitkräfte Eritreas und Äthiopiens gegen den Nordsudan durch ihre Unentschlossenheit
blockiert. Sie befürchteten, daß, wenn sie die schwarzafrikanischen Länder bei ihrem
Angriff auf den von arabischen Mohammedanern regierten Sudan unterstützen, dies ihre
Beziehungen zur arabischen Welt unwiderruflich trüben könnte. Drittens, auch der
Schlußakt in Brazzaville war nicht im Sinne Washingtons. Die USA hatten Nelson Mandela
nämlich durch ihren Mittelsmann Kofi Annan gebeten, sich an die Spitze einer
multinationalen Operation zu stellen und zwischen den kriegführenden Parteien in Kongo
Brazzaville zu vermitteln: wie schon zuvor, so war auch in diesem Fall beim
südafrikanischen Präsidenten nichts auszurichten - und die Dinge verliefen wie bekannt.
Nuovo ordine continentale Das Vorhaben Kabilas und Musevenis: die Errichtung einer politischen Konföderation zwischen den Staaten, die das Wirtschaftsabkommen SADC ratifiziert haben (in Grün), und einigen Staaten Zentralafrikas (in Rot). Das Projekt sieht die Teilung des Sudan in zwei Teile vor. Dies könnte die USA, die heute aber grundsätzlich mit der Schaffung eines neuen wirtschaftlichen und politischen Pols auf dem Schwarzen Kontinent einverstanden sind, in Schwierigkeiten bringen. |
Drei entscheidende
Faktoren
Es gibt also genügend Gründe, daran zu zweifeln, daß die USA für alle
Ereignisse in Afrika verantwortlich sind. Vielmehr ist zu befürchten, daß die
Vereinigten Staaten sozusagen wie ein Zauberlehrling nicht mehr in der Lage sein werden,
die unachtsam entfesselten Mächte zu bändigen. Schaut man genauer hin, so weisen diese
Mächte eindeutig gemeinsame Züge auf, die viel weiter gehen als eine mutmaßliche
Amerikafreundlichkeit. In fast all den obengenannten Ländern und in einem Großteil
Südafrikas sind heute Führer und politische Kräfte am Werk, die drei Eigenschaften
besitzen: Sie sind nach langen Kämpfen mit Waffengewalt an die Macht gelangt (und nicht
durch einen einfachen Staatsstreich), ihre Ideologien sind im Marxismus-Leninismus
verwurzelt oder doch zumindest kommunismusfreundlich, und sie sind eng mit einer
ethnischen Gruppierung oder ihrer jeweiligen Rasse verbunden. Nicht nur Kabila und Sassou
Nguesso, sondern auch Museveni, Kagamé, Afeworki (Eritrea) und Zenawi (Äthiopien) sind
mit Waffengewalt an die Macht gekommen; das gleiche galt in den siebziger Jahren schon
für die angolanische MPLA und die Befreiungsfront von Mosambik (Frelimo). Mugabe
(Zimbabwe), Nujoma (Namibia) und Mandela haben zwar freie Wahlen gewonnen, aber diese
waren ihnen erst nach langen Jahren erbitterter Kämpfe, die sie selbst geschürt hatten,
möglich gewesen. Das marxistische und antiimperialistische Erbe ist in all diesen
Persönlichkeiten unverkennbar: über Kabila, den Schüler Lumubos und (wenig
geschätzten) Gefährten Che Guevaras, ist ja bekanntlich schon sehr viel geschrieben
worden. Doch auch der Tropen-Kommunist' Sassou-Nguesso gehört zu der langen Liste
der Progressisten'. Sie reicht von dem mit dem Sozialismus Nassers liebäugelnden
Mandela und den erklärten Stalinisten der patriotischen Befreiungsfront Tigres, die in
Äthiopien Mengistu, den Mann Moskaus, geschlagen haben, über die "theoretischen
Sozialisten' Mugabe und Nujoma, die radikalen Dritte-Welt-Vertreter Museveni und Kagamé
(der zweite ist der Schüler des ersten), bis zu den sowjetfreundlichen Bewegungen MPLA
und Frelimo. Schließlich sind auch all jene zu nennen, die sich auf unterschiedliche
Weise und in verschiedenen Kontexten ethnische und rassistische Elemente zunutze machen:
die Tutsi, deren imperialistische Bestrebungen Ausmaße annehmen wie in Uganda, Ruanda,
Burundi und in der demokratischen Republik Kongo; in Kongo Brazzaville vertritt
Sassou-Nguesso die ethnischen Einheiten des Nordens (die Hälfte der Bevölkerung); in
Äthiopien liegt die Macht in den Händen der Tigriner; in Zimbabwe geben die Shona den
Ton an, in Namibia die Ovambo, die ANC Mandelas gewinnt ihre Stimmen hauptsächlich unter
der schwarzen Bevölkerung.
Der sozialen Marktwirtschaft entgegen
Die gemeinsamen Wurzeln sind der ausschlaggebende Grund für den Erfolg
dieser Führer und der politischen Kräfte, deren Ausdruck sie sind: die Grundlage für
ihren Sieg bildet in der Tat jene Mischung aus militärischer Disziplin, ethnischer
Solidarität und dem überzeugten Festhalten an der Ideologie, die sie selbst geschaffen
haben. Doch ebenso wichtig ist ihre pragmatische Entscheidung für die Marktwirtschaft,
die sie als eine geschichtliche Notwendigkeit erkannten, an die man wie in dem ähnlichen
Fall der chinesischen Kommunisten anpassen muß. Museveni, Kabila, Mandela und die einst
sowjetfreundlichen Mosambikaner und Angolaner betrachten das Scheitern der Planwirtschaft
als unumstößliche Tatsache und arbeiten an der Integrierung Afrikas in die
Globalisierungsprozesse und die internationale kapitalistischen Arbeitsteilung - ein Ziel,
das die alten westlich orientierten Diktatoren (Mobutu, Siad Barre, Habyarimana, usw.)
nicht erkannt hatten. Um dieses Ziel zu erreichen, will man auf dem Kontinent politische
und wirtschaftliche Integrationsräume schaffen: Musevenis und Kabilas Traum von den
Vereinigten Staaten Afrikas', die sich vom Roten Meer bis zum Atlantischen Ozean
erstrecken sollten, und ein in der SADC organisiertes Südafrika, das heißt in jener
Gemeinschaft für die Entwicklung Südafrikas, die in der Frage der Apartheid als Gegenpol
zu Südafrika gegründet wurde und heute gerade dem Land unterstellt ist, das zu einer
demokratischen Regierung übergegangen ist. Die Vereinigten Staaten verstehen und
befürworten dieses Vorhaben und unterstützen daher direkt oder indirekt die
afrikanischen Führer, die dieses Ziel verfolgen. Die USA halten die wirtschaftliche
Globalisierung für einen Segen; daher ermutigen sie die afrikanischen Postkommunisten
ebenso, wie sie das China Jang Zenins legitimieren.
Das südafrikanische Ufer
Die eigentliche Schwierigkeit, die in diesem geopolitischen Bild Afrikas
auftaucht, ist die Tatsache, daß noch nicht abzusehen ist, welches Land auf kontinentaler
oder wenigstens regionaler Ebene eine Führungsposition einnehmen könnte. Außerdem ist
das erhoffte Tandem Uganda-Südafrika, das bei dem historischen Besuch Musevenis in
Südafrika Ende Mai letzten Jahres angepriesen wurde, nie richtig in Tritt gekommen.
Südafrika lehnt auch weiterhin die Führerrolle auf dem Kontinent ab, die ihm die UNO,
die USA und die EU zugedacht haben. Mandela beschäftigt sich jedoch vorrangig mit der
Lösung der sozialen und wirtschaftlichen Fragen der schwarzen Südafrikaner. Er ordnet
daher die Außenpolitik entweder der Innenpolitik unter oder betrachtet sie nur als
Mittel, um in der Wirtschaft auf dem Kontinent mitzumischen, um im Außenhandel eine
positive Bilanz zu verzeichnen, die zur Deckung der Sozialausgaben unbedingt erforderlich
ist. Oder aber sie entspricht internationalen diplomatischen Initiativen zur Lösung von
chronischen Konflikten, wie zum Beispiel beim jüngsten Vermittlungsversuch im Konflikt
zwischen Libyen und den Vereinigten Staaten um die Lockerbie-Affäre. Aber diese
Initiativen, die sich allein auf das persönliche Charisma Mandelas stützen, bewirken
nur, daß viele Regierungen, und nicht zuletzt Washington, verärgert sind.
Aber
auch innerhalb der SADC spielt Südafrika immer mehr die Rolle einer neokolonialen Macht
und wird daher auch als solche betrachtet: Pretoria dringt mit seinen Waren in die Märkte
der anliegenden Länder ein und erhöht im Gegenzug die Zollsperren, um anderen Ländern
die Einfuhr zu verweigern. Uganda, das zwar durchaus genauso effizient und geschickt wie
Bismarcks Preußen ist, bleibt dennoch ein Land mit 16 Millionen Einwohnern mit einem
Pro-Kopf-Einkommen von nur 200 Dollar. Ein Viertel des Staatsgebiets ist zudem durch drei
verschiedene Guerillabewegungen als unsicher zu bezeichnen. Und ohne die finanzielle und
technische Unterstützung Südafrikas kann selbst der geniale Museveni nicht viel tun.
Falsch ist jedoch die Ansicht, Frankreich sei auf diesem großen Schachbrett nicht mehr
mit von der Partie. Frankreich hat eigentlich schon seit Jahren an Einfluß verloren, da
Paris der Rolle als politische Großmacht auf dem afrikanischen Kontinent nicht mehr
gewachsen war. Aber weder die Amerikaner noch die Afrikaner wollen Paris vom Kontinent
verjagen: Dies wird durch die Tatsache bestätigt, daß in Angola amerikanische und
französische Mineralölkonzerne Seite an Seite stehen und die Mineralölkonzerne Exxon
und Elf ein Konsortium zur Ölförderung im Tschad gegründet haben (es handelt sich dabei
um ein Projekt in der atemberaubenden Größenordnung von 3,5 Milliarden Dollar). In
Brazzaville schließlich ist ein franzosenfreundlicher Politiker an der Macht, der
gleichzeitig auch Freund der Freunde der Amerikaner ist - und dies, obwohl er ein
Postkommunist ist. Er hat es aber verstanden, die Zeichen der Zeit zu erkennen.